Die Sicherheits-Tipps des Botschafters

Die deutsche Botschaft in Reykjavík hatte in dieser Woche eine äußerst traurige Aufgabe: Sie musste sich um die beiden Kinder und den Ehemann einer Frau aus Peine (Niedersachsen) kümmern. Die 44-Jährige war an einem Strand bei der Halbinsel Dyrhólaey ertrunken. Leider nicht das erste Todesopfer an der Südküste. Und auch sonst steigen in Island mit den Touristenzahlen die Fälle von Urlaubern, die durch Naturgewalten oder bei Autounfällen zu Schaden oder sogar ums Leben kommen.

Ich sprach mit dem Botschafter Herbert Beck (59) über Sicherheits-Tipps für Island-Urlauber.

Sicher reisen Island Botschafter

Herr Beck, was möchten Sie deutschen Urlaubern mit auf den Weg geben für ihre Reise nach Island – vor allem zu ihrer Sicherheit?
Herbert Beck: Diese Woche hat uns wieder vor Augen geführt, dass Island zwar ein wunderschönes, aber auch ein sehr raues Land ist. Die Natur nimmt keine Rücksicht auf uns. Jeder Besucher ist also gut beraten, sich auf die Natur einzustellen.

Wovon geht die größte Gefahr aus?
Herbert Beck:
Die Hauptgefahr geht vom sehr wechselhaften Wetter aus. Es ändert sich ständig und kann innerhalb kürzester Zeit von strahlender Sonne in Schneesturm umschlagen, nicht nur jetzt im Winter. Das kann sowohl für Autofahrer als auch in freier Natur, etwa beim Wandern, gefährlich werden.

Autofahren ist das Gefährlichste

Wo gibt es die meisten Unfälle?
Herbert Beck:
Am meisten passiert beim Autofahren. Die Straßen hier sind nicht für schnelles Fahren ausgelegt. Aus gutem Grund besteht außerorts auf asphaltierten Straßen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 90 km/h und auf unbefestigten Straßen von 80 km/h. Die häufigste Unfallart ist, dass ein Fahrer durch Unachtsamkeit oder durch eine Windböe aufs Bankett gerät, ins Schleudern kommt oder gleich in den Straßengraben fährt – wo sich die Autos dann häufig überschlagen. Man sollte also auf keinen Fall in Island rasen. Wozu auch? Die Landschaft ist so schön, hier kann man wunderbar entschleunigen anstatt zu beschleunigen. Ganz wichtig ist es auch, sich vor Fahrtantritt über mögliche Gefahren wie etwa starken Wind zu informieren.

»Die Landschaft ist so schön – hier kann man wunderbar entschleunigen anstatt zu beschleunigen.«

Wie kann ich mich über akute Gefahren informieren?
Herbert Beck:
Das Wichtigste ist, dass man als Urlauber die Informationsquellen kennt und sie dann auch nutzt. Das fängt beim Reiseführer an, wo die Gefahren meist gut beschrieben werden. Außerdem sollte man nicht zögern, die Einheimischen zu fragen. Sie können einem wertvolle Ratschläge etwa zu den Straßenverhältnissen geben. Und man sollte ein paar relevante Internetseiten im Auge behalten.

Gefährliche Orte in Island

Mit Sicherheit: Informationen im Netz

Welche Internetseiten sind das?
Herbert Beck:
Zunächst einmal der tägliche Wetterbericht auf www.vedur.is. Dort wird explizit, auch in englischer Sprache, vor aufziehenden Unwettern gewarnt. Die wohl wichtigste Seite ist www.safetravel.is. Hier findet man alle sicherheitsrelevanten Informationen, von Ratschlägen zum Autofahren auf Island bis hin zur aktuellen Lawinenlage. Einen Straßenzustands-Bericht inklusive Wetterdaten bekommt man auf www.vegagerdin.is.

Was gibt es noch zu beachten?
Herbert Beck:
Wir Deutschen kommen aus einem Land mit zahlreichen Verboten und Geboten. Hier in Island hingegen stehen kaum Warnschilder oder Absperrungen, selbst an gefährlichen Orten. Die Isländer sind sich der Naturgefahren von klein auf bewusst. Von ihnen habe auch ich viel gelernt. Zum Beispiel dass man, wenn man in einem Schneesturm feststeckt, auf jeden Fall im Auto sitzen bleibt. Denn schon fünf Meter außerhalb kann es passieren, dass man das Auto nicht mehr sieht, die Orientierung verliert und erfriert. Vorsicht und Umsicht sollten die Grundhaltungen für Island-Reisende sein. Und das bedeutet natürlich auch, dass man die wenigen Warnschilder ernst nimmt und beherzigt.

»Wir Deutschen kommen aus einem Land mit zahlreichen Verboten. Hier in Island hingegen stehen kaum Schilder oder Absperrungen.«

Genau das ist ein häufiges Problem etwa am Wasserfall Gullfoss …
Herbert Beck:
Da stehen vor allem im Winter Warnschilder und Absperrungen. Denn wenn der Pfad vereist ist, wird er lebensgefährlich. Trotzdem setzen sich immer wieder Touristen darüber hinweg und bringen sich in Gefahr. Oder auch an Stränden der Südküste wie dem beliebten Reynisfjara. Was die meisten Touristen nicht wissen: Etwa jede siebte Welle fällt dort viel wuchtiger aus als die anderen sechs. Also gehen viele trotz der Warnungen nah ans Wasser und werden dann von den Brechern überrascht und womöglich ins Wasser gezogen. Dort hat man dann wegen starker Strömungen und des kalten Wassers kaum eine Überlebenschance.

Auch in Geothermal-Gebieten wird vor Gefahren gewarnt.
Herbert Beck:
Und das aus gutem Grund. Das Wasser dort ist wirklich kochend heiß. Eigentlich sollte es einem schon der gesunde Menschenverstand sagen, dass man nicht die Hand in dampfendes Wasser hält. Manche tun es doch. Und Absperrungen haben auch ihre Berechtigung. Die Erdkruste in Geothermal-Gebieten ist oft sehr weich und dünn. Man kann leicht einbrechen und sich verbrühen.

Vorbereitung ist das A&O

Deutsche Urlauber gehen gerne wandern in Island. Was sollten sie beachten?
Herbert Beck:
Leider gibt es immer wieder Fälle von Urlaubern, die sich in dieser großartigen, weiten Natur verlieren und nach denen gesucht werden muss. Gute Vorbereitung ist beim Wandern das A&O, sowohl was die Tourenplanung als auch die Ausrüstung betrifft.
Wer sich nicht hundertprozentig sicher ist, dass er die Herausforderungen selbst meistern kann, der sollte sich einem örtlichen Guide anschließen. Der ist natürlich nicht billig. Aber an der Sicherheit sollte man als Letztes sparen, auch im teuren Island. Ein super Sicherheitsfeature ist der Travel Plan. Ich kann dort meine Daten hinterlassen und angeben, wann ich von wo nach wo wandere oder fahre. Wenn ich mich nach der geplanten Ankunft nicht abmelde, wird automatisch die Rettungskette in Gang gesetzt, und es wird nach mir gesucht.

Kann ich mich in Island darauf verlassen, überall und jederzeit Hilfe per Handy rufen zu können?
Herbert Beck: In Island gilt für alle Fälle die Notrufnummer 112. Die Netzabdeckung wird auch immer besser. Verlassen kann man sich jedoch nicht darauf. Vor allem nicht im Hochland und in entlegenen Landesteilen. Man sollte sich daher immer irgendwo abmelden, sei es bei Safetravel oder auch im Hotel. Das erleichtert dann im Fall der Fälle den Rettungsmannschaften enorm die Arbeit, wenn sie ungefähr wissen, wo sie nach einem suchen müssen. Denn eines darf man nie vergessen: Die hiesigen Rettungsmannschaften sind Ehrenamtliche. Sie begeben sich selbst in Gefahr, um andere Menschen aus Gefahren zu retten. Wer sich im Urlaub also unvorsichtig verhält, der spielt nicht nur mit seiner eigenen Unversehrtheit, der verhält sich auch grob unfair den Rettern gegenüber.

Die Botschaft in Reykjavík

ZUR PERSON: HERBERT BECK
1957 in Ludwigsburg geboren
Studium der Psychologie, Politischen Wissenschaften und des Völkerrechts in Zürich und London
Stationen in Wellington (Australien), Kampala (Uganda), Auswärtiges Amt (Berlin), Internationale Organisationen (Genf), Bundes-Verteidigungsministerium (Berlin)
Ständiger Vertreter Botschaft Pretoria (Südafrika, 2012 – 2015)
Seit 2015 deutscher Botschafter in Island
Verheiratet, zwei erwachsene Kinder
Begeisterter Wanderer

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